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  • Dr. Kerstin Poehls

„HEIMATEN – eine Ausstellung als Gesprächseinladung“

In der neuen Ausstellung HEIMATEN. EINE AUSSTELLUNG UND UMFRAGE befasst sich das Freilichtmuseum Molfsee mit dem Konstrukt „Heimat“ und bricht dabei ganz bewusst mit klassischen Vorstellungen dieses emotional aufgeladenen Themas. Klar ist: Die eine, für alle und jeden Moment gültige Definition von Heimat gibt es nicht. Aus diesem Grund lautet der Titel dieser Schau: HEIMATEN. Im Interview verrät Museumsdirektorin Dr. Kerstin Poehls uns mehr darüber, was die Ausstellung für sie so aktuell und berührend macht.

Frau Poehls, die Ausstellung konzentriert sich auf sieben Facetten, die dem Heimatbegriff innewohnen. Sie geht auch der Frage nach, ob Heimat ein Ort ist. Wie stellt sich das für Sie persönlich dar?
Nach einem guten Jahr im Freilichtmuseum fühle ich mich hier mit meinen Ideen und im Austausch mit unserem Team schon ganz gut beheimatet… Mir sind im vergangenen Jahr viele Menschen begegnet, für die „Molfsee“ und „Museum“ dasselbe sind, und die das Museum auch schon seit langem als „ihren Ort“ verstehen und mitgestalten. Das ist großartig!

Es zieht für mich die Frage nach sich, wie wir uns mit HEIMATEN als… ja, als Ort der Beheimatung weiterentwickeln können. Wie können wir uns für Menschen weiter öffnen, die diesen Ort noch nicht als ihren empfinden, weil sie sich von unseren Erzählungen, Themen und Herangehensweisen bisher noch nicht angesprochen fühlen. HEIMATEN stößt durch Objekte, die Ästhetik und vor allem durch den fragenden Gestus ein Fenster in eine andere Richtung auf. Die Ausstellung ist eine Einladung. Und das Schöne ist: Sie wird auch angenommen, wir haben Gäste hier, die „so was wie HEIMATEN“ an diesem Ort nicht erwartet hatten. Und natürlich freuen wir uns gerade im Winter darüber, wenn viele Menschen gerade für diese Ausstellung HEIMATEN zu uns kommen – da kann das Jahr100Haus mit der soeben erneut preisgekrönten Architektur ja seinen ganzen Magnetismus entfalten.

Die Ausstellung ist als Einladung zum Dialog angelegt und spart auch Spannungen und Abgründiges im Heimatbegriff nicht aus. So fragt sie, ob Heimat womöglich nur in Verbindung mit Verlust ein sinnvolles Konzept ist, oder ob Heimat einen Grund zur Sorge bietet. Wie sehen Sie das?
Für mich persönlich sind diese Facetten die stärksten in der Ausstellung – da ist „Heimat“ alles andere als unschuldig oder behaglich. Sorge und Verlust sind auch diejenigen Facetten, zu denen ich in Rundgängen schon mit vielen Gäste berührende Gespräche führen durfte. Die Arbeit „Riparian Cloud“ zum Beispiel, das mit Klang und Bewegung technisch anspruchsvollste Exponat in unserer Ausstellung, zeigt Reproduktionen verschwundener Insektenarten aus Norddeutschland in kleinen Glaskuppeln. Wenn man sich ihnen annähert, dann… nein, das verrate ich jetzt nicht, allein dafür lohnt ein Besuch der Ausstellung.

Jedenfalls geht es bei der Arbeit um die Frage, wie wir unsere Umwelt zurichten, was wir hier eigentlich auf unserem vielfach und reichlich angeschlagenen Heimatplaneten tun. Ist das noch „Heimat“, wenn an der Windschutzscheibe kein einziges Insekt mehr zu sehen ist und wir surrende Mückenschwärme kaum noch zu sehen bekommen? Die Klimaveränderungen, die wir alle durch unseren Lebensstil produzieren und alltäglich erleben können, werfen diese Frage auf, und wenn das kein Verlust und kein Grund zur Sorge ist, was dann?

Kann Heimat eigentlich auch etwas Neues sein?
Unbedingt! HEIMATEN zeigt ja mit HipHop-Videos, Spielzeug aus der Hand von Lyonel Feininger, Reisepass-Collagen, Videospielen, Fotografien und Fanschals, dass Menschen sich ja gegen alle Wahrscheinlichkeiten und Widerstände ihre Heimaten machen, sie erträumen, teils erkämpfen, jedenfalls alltäglich produzieren. Das findet dann statt, wenn sich Menschen zu einer Mahlzeit zusammenfinden und ein Gericht kosten, das sie noch nie geschmeckt haben… und merken, wie es ihnen mundet. Darüber haben Studierende der Europäischen Ethnologie, mit denen wir schon im Vorfeld der Ausstellung begonnen haben zusammenzuarbeiten, intensiv diskutiert und kamen zu dem Schluss, das dieser sinnliche Aspekt vermutlich deshalb so zentral ist, weil es hier über das Rationale und in Worte fassbare auch hinaus geht.

In der Ausstellung geht es auch darum, wie Menschen aus Migrations- und Fluchterfahrungen etwas Neues aufbauen – und dass zugleich die Verbundenheit mit anderen Heimaten eine starke Emotion ist. Auf alle Fragen, die die Ausstellungen aufwirft, ist das womöglich die einzige Antwort: Wir sind gut beraten, über HEIMATEN nicht im Singular, sondern im Plural nachzudenken.

In diesem Sinne wollen wir in den nächsten Jahren im Jahr100Haus und im Freilichtmuseum Molfsee insgesamt Neues kredenzen. Wir werden Menschen an den Tisch bitten, die womöglich schon länger auf die Einladung warten, das Museum auch zu ihrem zu machen. HEIMATEN ist ein allererster und thematisch wichtiger Schritt und Gesprächsauftakt mit vertrauten und neuen Partnern: der vhs Molfsee, Schulen in Kiel, der Universität und – darauf arbeiten wir hin – noch vielen mehr. Und darauf bin ich vorfreudig gespannt!

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